Selbstverständnis

Wofür wir kämpfen

Unser Bündnis ist ein Zusammenschluss von Mieter*innen, die gemeinsam für die Verteidigung und Verbesserung ihrer Lebensbedingungen streiten. Wir finden uns freiwillig, selbstbestimmt und kollektiv zusammen. Wir sind partei- und staatsunabhängig. Gemeinsam haben wir uns Ende 2018 zusammengefunden, um gegen Kündigungen und Zwangsräumungen aktiv zu werden. Mit der Zeit haben wir darüber hinaus angefangen, Mieter*innen derselben Vermieter* zu helfen sich gemeinsam zu organisieren, ein Ansatz dem wir 2025 den Namen „MietS“ (Mieter*innen-Solidarität) gegeben haben.

Staat und Recht
Rechte werden nie einfach von oben gegeben, sondern von unten erkämpft: Zum Beispiel der 8-Stunden-Tag von Gewerkschaften und der Kündigungsschutz für Mieter*innen durch breite Proteste in den 70er Jahren.  Auch jede zukünftige Verbesserung wie die Enteignung von Wohnkonzernen oder die Stärkung von Mieter*innenrechten kann nur erkämpft werden, von Vielen. In der staatlich verwalteten Gesellschaft schlagen sich erfolgreiche Verbesserungen in Rechten nieder. Diese sind Reaktion auf gesellschaftliche Kämpfe, befrieden diese dadurch aber auch. Durch Gewalt und Reform werden die Kämpfe dort gestoppt, wo sie Staat und Kapital grundsätzlich bedrohen.

Das Rechtsverhältnis bietet dem Menschen nur eine abstrakte und vereinzelte Freiheit: Theoretisch besitzt ein Vermieter von hunderten Wohnungen die gleichen Rechte wie ein Wohnungsloser. Jenseits dieser abstrakten Freiheit hat der Eine die Freiheit, nach Bali zu fliegen während der andere in der Unfreiheit ständiger Angst vor Kälte, Gewalt und Ausgrenzung lebt. Das ist die Vereinzelung der kapitalistischen Gesellschaft, die die Menschen in Konkurrenz zueinander setzt und den Einen viel mehr gibt als sie brauchen während andere nicht einmal das Nötigste haben. Da aber die Probleme gesellschaftlich bedingt sind, muss auch die Gegenwehr kollektiv sein.

Gegenmacht von unten
Das Ziel ist nicht, dass wohlmeinende, vermeintlich „bessere“ Politiker*innen an die Macht gehoben werden, die sich ausdenken, was „die Bevölkerung“ braucht; für diese Art von Politik stehen Sozialdemokratie wie kommunistische Parteien.
Wir setzen stattdessen auf kollektive Gegenmacht von unten. Die Einzelne* erfährt durch das Kollektiv gegenseitige Hilfe und Solidarität und übt andererseits Mitbestimmung ein. Des weiteren werden so die Probleme, die wir haben, gemeinsam analysiert. Sie sollen als gesellschaftlich gemacht und damit auch als gesellschaftlich veränderbar begriffen werden. In unserer Gesellschaft lernt jede*r, sie wäre für ihr Glück oder Unglück selbst verantwortlich. Wer also „scheitert“, die Wohnung oder den Job verliert, schämt sich deshalb oft. Diese Scham wollen wir den Menschen nehmen und aus der individuellen Ohnmacht herauskommen. Wir machen deutlich: Der (Wohnungs)markt ist das Problem. Dies zu benennen ist Ausgangspunkt einer kritischen Auseinandersetzung mit dieser Gesellschaft; Marktgesetze unter denen wir leiden sind keine Naturgesetze.

Diese Art, neue, andere Beziehungen bereits in unseren Kämpfen Wirklichkeit werden zu lassen, steht in einer antiautoritären linken Tradition.

In Aktion treten
Je mehr wir werden, desto mehr können wir Macht aufbauen, indem wir gemeinsam in Aktion treten. Die Betroffenen eines Problems haben stets das letzte Wort, wie eine Aktion gestaltet wird. Wir nutzen in diesen Kämpfen wenn nötig auch die Mittel, die uns diese Gesellschaft zur Verfügung stellt, wie juristische Mittel und Pressearbeit. Solche Mittel dürfen aber nicht verschleiern, dass grundsätzliche Veränderungen immer erkämpft und gegen die etablierten Regeln dieser Gesellschaft durchgesetzt werden. In dem Maße, in dem wir mehr kollektive Macht aufbauen, können auch unsere Aktionen größer und direkter werden.

Ein Beispiel: Eine Art bedingter Mietstreik wäre insofern möglich, als dass alle Mieter*innen gemeinsam Miete einbehalten können für Mängel, die sie alle betreffen, insoweit ihnen das Gesetz das erlaubt. So wäre eine kollektive und schlagkräftige Aktion gegen diese Mängel in einem legalen Rahmen möglich. Wenn aber genug Mieter*innen beschließen, gemeinsam selbstbestimmt ihre Mietzahlungen zu verweigern und sich gegenseitig gegen Räumungen zu schützen, wäre auch ein umfassender Mietstreik denkbar. Damit hätten wir Mieter*innen die Macht über unseren Wohnraum erlangt.

Bei der Aktion lernen wir, kollektiv zu handeln und zu gestalten als Mittel für mehr Freiheit und Selbstbestimmung für jede*n Einzelne*n von uns. Je mehr Menschen in eine Aktion eintreten, desto nachhaltiger kann diese etwas verändern.

Enteignung!
Eigentum ist private Aneignung von gesellschaftlichen Ressourcen; bevor Zäune gezogen und Eigentumstitel vergeben wurden, gehörte der Boden niemandem. Aber auch die gesamte hergestellte Umwelt baut immer auf tausendfacher gesellschaftlicher Arbeit anderer Menschen auf. Eine Stadt entwickelt sich über Jahrhunderte, unzählige Menschen haben an ihrer Infrastruktur gebaut, unzählige Ziegel gebrannt, Beton produziert, ihre Einwohner*innen großgezogen. Gesellschaftliche Arbeit schafft unsere Umwelt. Über Herstellung und Verteilung sollten deshalb auch alle mitbestimmen können.
Wie viel Wohnraum wird benötigt? Und wie sichern wir einen guten Zugang für alle zu Bildung, Versorgung und Kultur? Das sind Fragen, die nicht beantwortet werden können, wenn der städtische Raum wesentlich durch das Profitinteresse weniger gestaltet wird. Dieses Profitinteresse privilegiert die zahlungskräftigsten Mieter*innen mit der besten Lage. Es führt außerdem dazu, dass wir einen Großteil unseres Lohns für die Miete abdrücken müssen; Mieterhöhungen sind gesellschaftlich gesehen immer höhere Lohnverluste. Deshalb müssen die Eigentümer*innen von Wohnraum enteignet werden. Dies ist nicht die einzige, aber die grundlegende Bedingung, um gutes Wohnen für alle zu ermöglichen.

Wohnen für alle: Vergesellschaftung
Wohnen sollte genauso selbstverständlich verfügbar sein wie der Zugang zu Trinkwasser. Und seine Gestaltung durch die Wohnenden so selbstverständlich wie Eiswürfel, Zitrone oder Sprudel. Stattdessen empfinden wir Mieter*innen es oft als völlig normal, dass nicht die Wohnung zu uns, sondern zu unserem Geldbeutel passen muss, dass der Wohnraum ständig knapp zu sein scheint und dass wir nur zahlende Gäste im Haus eines anderen sind. Aber das muss nicht so sein. Unsere Lösung heißt: Vergesellschaftung.

Vergesellschaftung meint, dass der Wohnraum der Gesellschaft gehört, während die, die ihn nutzen, ihn gestalten können. Er sollte kollektiv verwaltet werden. Gleichzeitig sollen die Wohnenden möglichst viel Freiheit haben, ihn zu gestalten. Modelle dafür gibt es im Ansatz bereits, wie Genossenschaften oder das Mietshäusersyndikat. Die Häuser in diesen Modellen gehören keinem Konzern und keinem Vermieter, aber die Wohnungen sind auch nicht das Eigentum einzelner Mieter*innen.

Alles für alle!
Uns ist bewusst, dass nicht alle gleichermaßen unter dieser Gesellschaft leiden. Rassismus drückt sich z. B. darin aus, dass Menschen mit bestimmten Namen seltener eine Wohnung bekommen. Hohe Mieten führen dazu, dass es noch schwerer ist, einen gewalttätigen Partner zu verlassen.

Gleichzeitig kann der überwältigende Teil der Menschen bei dem Kampf um das Wohnen viel gewinnen. Er ist eine Möglichkeit der praktischen Solidarität untereinander, in dem solche unterschiedlichen Betroffenheiten und auch das gemeinsame Interesse erkannt werden können. Wir betrachten unseren Kampf deshalb auch als Beitrag, menschenfeindliche Erzählungen, die sich etwa gegen Frauen, Queers und Migrant*innen richten, zu überwinden und dem Rechtsruck durch eine kollektive Solidarität zu begegnen.

Alle Menschen verbindet das Bedürfnis, satt, sicher und in Selbstbestimmung zu leben. Das wäre für alle möglich. Stattdessen kann heute, wer sich keine Wohnung leisten kann, nicht sicher leben, wer sich kein Brot leisten kann, nicht essen. Der Boden, seine Nutzung, was wir auf ihm bauen und herstellen sollte uns allen gehören; ob Haus oder Getreide, überhaupt alle Reichtümer dieser Gesellschaft. Die Rückeroberung der durch Wenige angeeignete Ressourcen ist ein ständiger Kampf, der Kampf um das Wohnen nur ein Teil davon. Diesen Kampf immer mehr zu erweitern ist unser Anliegen.